Alle das Netz betreffenden Zukunftsvisionen von Unabhängigkeit, 
                    Aufklärung, freiem Datenfluss oder auch nur "vote with 
                    your wallet-Demokratie" gehen von einer Architektur verteilter, 
                    gleichberechtigter Netzknoten aus. Dieses Modell beschreibt 
                    jedoch nur die technische Seite der Datenübertragung. 
                    Der tatsächliche Einsatz des Netzes bildet immer mehr 
                    bereits vorhandene Hierarchien und Machtverhältnisse 
                    ab oder dehnt diese sogar aus. 
                   Inzwischen fließen zunehmend wichtige und persönliche 
                    Daten über das Netz, während gleichzeitig Überwachung 
                    und Kontrolle des Datenverkehrs zunehmen. Dadurch wird Netzwerk- 
                    und Software-Design zum politischen Thema. Auf Seiten der 
                    Anwender findet eine Diskussion darüber nur in kleinen 
                    eingeweihten Zirkeln statt. Dem gegenüber steht eine 
                    apolitische Schar von Konsumenten, die sich einem Medium überantwortet, 
                    das sie nicht mehr versteht und durch entsprechendes Interface-Design 
                    auch nicht verstehen kann. Änderungen an den Mechanismen 
                    des Netzwerkes werden also von Interessensgruppen durchgeführt, 
                    die über entsprechenden Einflüsse und Mittel verfügen. 
                    Präsentiert werden fertige Ergebnisse, die keine Entscheidungsfreiheit 
                    mehr zulassen. 
                   Um die Kompetenz und Kritikfähigkeit der Anwender bezüglich 
                    des Alltags-Mediums Internet zu überprüfen, kontrollierten 
                    und manipulierten Alvar Freude und Dragan Espenschied im Rahmen 
                    ihrer Diplomarbeit insert_coin den Web-Datenverkehr an der 
                    Merz Akademie in Stuttgart. Sie verwandelten beispielsweise 
                    Suchmaschinen in Denunzier-Portale, veränderten aktuelle 
                    Meldungen auf Nachrichten-Sites; selbst Wörter in privater 
                    Email-Kommunikation, die über Web-Interfaces wie Hotmail 
                    abgerufen wurde, liefen durch ihre Filter. Und niemand bemerkte 
                    es. Noch schlimmer jedoch: niemanden interessierte es. 
                   Das Experiment beweist gleichsam die rein zielorientierte 
                    und tunnelblickartige Rezeption eines Mediums, in dem aus 
                    unterschiedlichsten Motiven und mit vielen Mitteln um die 
                    Aufmerksamkeit des Users geheischt wird. Im Verlauf des Workshops 
                    werden Alvar Freude und Dragan Espenschied über die Entstehung 
                    und Ergebnisse dieses Experimentes berichten sowie aktuelle 
                    Projekte zeigen, um darauf aufbauend über aktuelle Zensur- 
                    und Kontrollversuche im Internet zu diskutieren.