Workshops

Am 18. Mai 2002 finden in der NGBK Worksshops mit den an der Ausstellung beteiligten Künstlergruppen statt. Dabei werden sie die Rahmenbedingungen und Hintergründe ihrer Arbeitsweise, sowie die Grundstrukturen vernetzter Gesellschaften darstellen und diskutieren.

Ort:
Galerie der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst

Oranienstr. 25, 10999 Berlin, +49 30 / 6153031

16.00 - 17.30h Geissler & Sann
"Die Schlachtfelder von LAN in WAN"


18.00 - 19.30h Freude und Espenschied
"insert_coin
- Verborgene Mechanismen und Machstrukturen im "freiesten" Medium von allen"


20.00 - 21.30h padeluun
"Kommunikationsgesellschaft ist Künstlersache"


 

  Workshop von Beate Geissler und Oliver Sann

"Die Schlachtfelder von LAN in WAN"

Beate Geissler und Oliver Sann werden an Hand Ihrer Arbeit "shooter" eine Einführung in die Spielerszene von First Person Shooter Software geben. Geklärt werden sollen die technischen und sozialen Gegebenheiten, sowie der Umgang mit "Egoshootern". Hierbei wird Gelegenheit sein, neben den Ergebnissen der Recherche zur Arbeit, auch diverse Applikationen in ihrer Anwendung zu sehen, sowie Unterschiede zwischen LAN und WAN kennenzulernen. Diskutiert werden soll, inwieweit Aggressionen durch die Spiele ausgelöst und möglicherweise zu Verursachern von Gewalt werden und warum jede Indizierung auf dem deutschen Markt am Kern der Sache vorbeischießt. Um die Problematik zu verstehen, werden alle Teilnehmenden angehalten, sich aktiv mit der Software auseinanderzusetzen, sprich damit zu spielen. Heute steht jedem die Möglichkeit offen, sich kulturell, sozial oder intellektuell vom spielerischen Umgang mit dem virtuellen Töten zu distanzieren. Wenn wir jedoch verstehen wollen, was sich in unserer Gesellschaft mit extremer Akzeptanz und Hingabe verbreitet, ist es erforderlich, sich ins Spiel hineinzubegeben und nachzuvollziehen, was es heisst den simulierten Todeskampf zu erleben.

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  Workshop von Dragan Espenschied, Alvar Freude

"insert_coin"
Verborgene Mechanismen und Machtstrukturen
im "freiesten" Medium von allen


Alle das Netz betreffenden Zukunftsvisionen von Unabhängigkeit, Aufklärung, freiem Datenfluss oder auch nur "vote with your wallet-Demokratie" gehen von einer Architektur verteilter, gleichberechtigter Netzknoten aus. Dieses Modell beschreibt jedoch nur die technische Seite der Datenübertragung. Der tatsächliche Einsatz des Netzes bildet immer mehr bereits vorhandene Hierarchien und Machtverhältnisse ab oder dehnt diese sogar aus.

Inzwischen fließen zunehmend wichtige und persönliche Daten über das Netz, während gleichzeitig Überwachung und Kontrolle des Datenverkehrs zunehmen. Dadurch wird Netzwerk- und Software-Design zum politischen Thema. Auf Seiten der Anwender findet eine Diskussion darüber nur in kleinen eingeweihten Zirkeln statt. Dem gegenüber steht eine apolitische Schar von Konsumenten, die sich einem Medium überantwortet, das sie nicht mehr versteht und durch entsprechendes Interface-Design auch nicht verstehen kann. Änderungen an den Mechanismen des Netzwerkes werden also von Interessensgruppen durchgeführt, die über entsprechenden Einflüsse und Mittel verfügen. Präsentiert werden fertige Ergebnisse, die keine Entscheidungsfreiheit mehr zulassen.

Um die Kompetenz und Kritikfähigkeit der Anwender bezüglich des Alltags-Mediums Internet zu überprüfen, kontrollierten und manipulierten Alvar Freude und Dragan Espenschied im Rahmen ihrer Diplomarbeit insert_coin den Web-Datenverkehr an der Merz Akademie in Stuttgart. Sie verwandelten beispielsweise Suchmaschinen in Denunzier-Portale, veränderten aktuelle Meldungen auf Nachrichten-Sites; selbst Wörter in privater Email-Kommunikation, die über Web-Interfaces wie Hotmail abgerufen wurde, liefen durch ihre Filter. Und niemand bemerkte es. Noch schlimmer jedoch: niemanden interessierte es.

Das Experiment beweist gleichsam die rein zielorientierte und tunnelblickartige Rezeption eines Mediums, in dem aus unterschiedlichsten Motiven und mit vielen Mitteln um die Aufmerksamkeit des Users geheischt wird. Im Verlauf des Workshops werden Alvar Freude und Dragan Espenschied über die Entstehung und Ergebnisse dieses Experimentes berichten sowie aktuelle Projekte zeigen, um darauf aufbauend über aktuelle Zensur- und Kontrollversuche im Internet zu diskutieren.

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  Workshop von padeluun

"Kommunikationsgesellschaft ist Künstlersache"

Etwa 1.500 Menschen haben bereits die "Privacy-Card" im Portemonnaie. Diese mit Magnetstreifen und Barcode ausgestattete Karte kann an den Kassen vorgelegt werden, wo normaler Weise die Payback-"Rabatt"-Karte zum Sammeln von Punkten vorgezeigt werden kann. Denn das Rabattsystem Payback ist weniger einem Rabatt dienlich, sondern es dient vielmehr dazu personalisierte Daten über die Einkaufsgewohnheiten von ca. 15 Millionen Einkaufenden, die sie besitzen, zu sammeln. Mittels der Privacy-Card werden die Daten alle einer einzigen fiktiven Person zugeordnet und die gesammelten Rabattpunkte gehen an den FoeBuD e.V. Nachdem Payback das herausbekam, wurde der Geldtranfer auf das Konto eingefroren. Doch es werden weiter Punkte gesammelt: Derzeit wird vor Gericht die Fortsetzung der Aktion erstritten.

Eine Informationsverarbeitung, bei der die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr wissen, an welcher Stelle welche Daten über sie gesammelt werden, beeinträchtigt nicht nur ihre individuellen Persönlichkeitsrechte; sie ist auch mit dem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar. Denn ein Mensch, der ständig beobachtet, registriert, vermarktet und von speziell auf ihn abgestimmten Vorschlägen und Angeboten begleitet wird, verändert mit der Zeit sein Verhalten und richtet es nach den Erwartungen derer aus, die seine Daten auswerten. Individualisierte Manipulationsmöglichkeiten und faktischer Anpassungsdruck führen zu einer zunehmenden Fremdbestimmung. Damit werden Grundprinzipien unserer Verfassung wie die Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit beschädigt.

Wer sich derart beobachtet fühlt, nimmt möglicherweise auch andere von der Verfassung garantierte Rechte wie freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit nicht mehr in Anspruch. So zerstört der Verlust der informationellen Selbstbestimmung die Fähigkeit zur Kommunikation und zur Partizipation. Damit geht der Gemeinschaft eine Vielfalt von Ideen, Meinungen und Talenten verloren. Und auch das Engagement für etwas, das über die eigenen Interessen hinausgeht, schwindet. Inwieweit Kommunikationsgesellschaft Künstlersache ist, wird padeluun in einem Workshop veranschaulichen.

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