Panel "ANGEWANDTE (UN)SICHERHEIT"
Samstag, den 8.Juni 2002, 16.30 - 18.00h
im Rahmen des Privacy Kongresses

Veranstaltet von der Heinrich Böll Stiftung
(www.boell.de) in Zusammenarbeit mit dem FIFF e.V. (www.fiff.de),
dem Netzwerk Neue Medien (netzwerk-neue-medien.org)
und dem RealismusStudio der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst
(www.ngbk.de)

 
7.-8. Juni 2002 im Tagungszentrum Palisa.de (www.palisa.de)
Palisadenstraße 48, 10243 Berlin.

Anmeldung: medien@boell.de

Informationen unter:
www.saveprivacy.org

 

Steffen Meschkat, Berlin, D
talk@mesch.org


"Unsicherheit, Kompetenz und Medientechnologie"

Alles sollte so einfach sein wie moeglich, aber nicht noch einfacher. Eine kurze Diskussion des Dilemmas, aus Fehlern zu lernen und aus Schaden klug zu werden im Kontext der von moderner Medientechnolgie vom Benutzer geforderten Kompetenz; unter Einbeziehung der Begriffe Risiko und Benutzerfreundlichkeit.

Steffen Meschkat
geboren 1970; Abitur an der Spezialschule fuer Mathematik Heinrich Hertz Berlin 1988; Diplom in Physik von der Humboldt-Universitaet zu Berlin 1996; Junior Scientist, wwwizard und Projektleiter, Mitgruender der AG, Art+Com 1991-99; Lehrauftraege Technologische Grundlagen Digitaler Interaktiver Medien, HdK Berlin und FH Dortmund 1996-98; Mitgruender und Director of Server Development, datango AG 1999-jetzt.


 

Matthias Leisi, Basel, CH
http://www.astrum.ch/
, matthias@astrum.ch

"|ver|un|sicher|ung| - Der Innere Wert der Sicherheit"

Das Datenschutz- und Sicherheitsbewusstsein in der Bevölkerung ist trotz Appellen und gesetzlicher Regelungen relativ gering ausgebildet. Einzelne Ereignisse und unmittelbare Bedrohungen der Privatsphäre bewirken höchstens einen kurzfristigen Gewinn in der Aufmerksamkeitsökonomie.

Jede Sicherheitsmassnahme ist mit sozialen und ökonomischen Kosten verbunden, die von der Allgemeinheit kaum eingeschätzt werden können: Es gibt keinen Markt, in welchem man den Wert, die Wert-Schätzung der Privatsphäre, des Datenschutzes und die Kosten zur Vermeidung dieser Risiken annähernd zuverlässig bestimmen kann.

Der Vortrag wird Ansätze zeigen, wie (Un-) Sicherheit gemessen, bewertet werden kann - und Methoden, wie eine quasi-ökonomische Betrachtungsweise helfen kann, den Wert der persönlichen Daten zu schützen.

Matthias Leisi
Studium der Wirtschaftswissenschaften, Mitgründer der Softwarefirma CodeLab AG (bis 2001), freiberuflicher IT-Berater (Schwerpunkt Sicherheitsfragen, Systemarchitektur, IT-Strategie).

 

Armin Medosch, D
armin@easynet.co.uk


"Big Brother auf der Anklagebank"

Schon vor dem 11.09.2001 gab es eine bedrohliche Zunahme der Möglichkeiten für Kontrolle und Überwachung durch die neuen Kommunikationstechnologien. Doch spätestens ab diesen Anschlägen standen die Schützer der Privatsphäre auf verlorenem Posten. Es schien gerechtfertigt, angeblich abstrakte Persönlichkeitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung für mehr Sicherheit einzutauschen. Doch geht diese Gleichung "Freiheit gegen Sicherheit" überhaupt auf? Und warum haben es die Privacy-Aktivisten in der Medienlandschaft überhaupt so schwer, Gehör zu finden? Vielleicht ist auch der Zeitpunkt für Selbstreflexion gekommen und die Kommunikationsstrategien, die bisher von Privacy-Aktivisten eingesetzt wurden, müssen überdacht werden, wenn es zu einer breiteren gesellschaftlichen Sensibilisierung für den Wert des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung kommen soll.

 

Inke Arns, Berlin, D
inke@snafu.de

"Art Will Be Code, Or It Will Not Be:
Medien- und Netzkunst im postoptischen Zeitalter"

Der Computer ist kein Bildmedium, sondern essentiell ein Schriftmedium, an das alle möglichen audiovisuellen Ausgabemedien anschließbar sind.11 Cramer 2001 Multimediale, dynamische Oberflächen werden von ihnen zugrundeliegenden (Programmier-)Texten generiert. Programmcode zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm íSagen' und íTun' zusammenfallen, Code als ìhandlungsmächtiger" Sprechakt also keine Beschreibung oder Repräsentation von etwas ist, sondern direkt affiziert, in Bewegung setzt, Effekte zeitigt.22 Arns 2001 Diese ìcodierte Performativität"33 Grether 2001 hat unmittelbare, auch politische Konsequenzen für die virtuellen Räume, in denen wir uns zunehmend bewegen: Er mobilisiert bzw. immobilisiert seine Benutzer. Der Code wird so zum Gesetz, Code is Law (Lessig 1999). Der elektronische Datenraum des Internet verbindet sich nur Menschen weltweit, er erlaubt potentiell auch eine perfekte, weil fast unbemerkte, allgegenwärtige Kontrolle und Überwachung. Die Überwachung dieses Raumes basiert nicht auf visuellem, also von Überwachungskameras aufgenommenem Material, sondern auf der Auswertung von Datenmaterial, Code. Man kann daher von einem postoptischen Zeitalter sprechen: Code is Law.

Künstlerische Projekte, die sich heute mit den Themen Kontrolle und Überwachung elektronischer Datenräume (wie z.B. des Internet) auseinandersetzen, setzen daher direkt auf dem Code auf. Einerseits thematisieren in der Netzkunst die sogenannten ìCodeworks"44 Sondheim 2001 die Allgegenwärtigkeit von Codes. Es sind Projekte, die den reinen, ìrohen" formalen ASCII-Instruktionscode bzw. dessen Ästhetik benutzen, ohne jedoch auf die von ihm geschaffenen Oberflächen und multimedialen graphischen Benutzerinterfaces rekurrieren zu müssen (Jodi, NN. a.k.a. Antiorp und mez). Andererseits machen KünstlerInnen mit teils umstrittenen Projekten auf die Existenz dieser heiß umkämpften Datensphäre aufmerksam, bauen private ECHELON-Systeme und thematisieren die zunehmende Einschränkung des öffentlichen Raumes durch Privatisierung von Telekommunikationsinfrastrukturen (Makrolab, Knowbotic Research). Die Projekte, die im Rahmen des Vortrages vorgestellt werden, rufen die Existenz eines normalerweise durch die graphischen Oberflächen verdeckten ìvirtuellen Unbewussten" ins Gedächtnis, analog der mechanischen Aufnahmetechniken, die es laut Benjamin ermöglichten, das vom Bewusstsein verdrängte ìoptische Unbewusste" aufzuzeichnen. Heute kann der Code als "postoptisches Unbewusstes" gelten.



Links:
jodi
NN. / Antiorp
MEZ
Makrolab

Knowbotic Research

; aktuell: "Minds of Concern: Breaking News" (2002), als Teil des Ausstellungsprojektes "Open_Source_Art_Hack", The New Museum, May 3 - June 30, 2002

Inke Arns
http://www.v2.nl/~arns

Inke Arns. Netzkulturen. Europaeische Verlagsanstalt, Hamburg, 2002
http://home.snafu.de/inke/Netzkulturen

Inke Arns. Neue Slowenische Kunst (NSK) - eine Analyse ihrer kuenstlerischen Strategien im Kontext der 1980er Jahre in Jugoslawien. Regensburg 2002. ISBN 961-90851-1-6 http://www.v2.nl/~arns/Texts/NSK/abstract-NSK2002.html

Inke Arns (*1968) ist freie Kuratorin und Doktorandin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Dissertation Objects in the Mirror may be Closer Than They Appear: Die Avantgarde im Rückspiegel untersucht die Rezeption der historischen Avantgarde in künstlerischen Projekten der 1980er und 1990er Jahre in Ex-Jugoslawien und Russland. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in Paris 1982-86 studierte sie von 1989-1996 Osteuropastudien, Slawistik, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte in Berlin und Amsterdam (Erasmus-Stipendium 1992). 1996 Abschluss des Studiums mit einer Magisterarbeit über die Neue Slowenische Kunst (NSK) (publiziert im März 2002). 1998-2000 Promotionsstipendium der Berliner Nachwuchsförderung (NaFöG); 2000- 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slawistik der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre kuratorische Arbeit umfasst Ausstellungen, Festivals und Konferenzen zu internationaler Medienkunst; u.a. OSTranenie 93 (Bauhaus Dessau), Minima Media. Medienbiennale Leipzig 94 (Buntgarnwerke Leipzig-Plagwitz 1994), un-frieden. sabotage von wirklichkeiten (Kunstverein, Hamburg 1996/97), body of the message (Neuer Berliner Kunstverein 1998); update 2.0 (ZKM Karlsruhe/Goethe-Institute 2000). Derzeit arbeitet sie zusammen mit Dieter Daniels an der Entwicklung einer audiovisuellen "Einführung in die Medienkunst" für die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig. Gründungsmitglied des translokalen Syndicate-Netzwerkes (1996-2001), Mitbegründerin von mikro, Verein zur Pflege von Medienkulturen (03/1998) sowie Mitbegründerin von Spectre, einer Mailingliste für Medienkultur in Deep Europe (08/2001). Zahlreiche Beiträge zu Medien- und Netzkunst und -kultur in Büchern und internationalen Zeitschriften, u.a. in Praxis Internet (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2002), Leonardo Electronic Almanach (USA), Kunstforum International (D), ArtIndia (IN) und Convergence: Journal of Research into New Technologies (UK); ihre Bücher Neue Slowenische Kunst (Regensburg / Ljubljana) und Netzkulturen (Europäische Verlagsanstalt, Hamburg) sind im Frühjahr 2002 erschienen. Vgl. http://www.v2.nl/~arns.

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